Im SWR2-Forum hat Burkhard Müller-Ullrich mit Maike Albath, Iris Radisch und Hubert Winkels über Claudio Gattis Artikel, die internationalen Reaktionen und die Bedeutung der Enthüllungsreportage für Ferrantes Werk diskutiert. Das Verfahren, mit dem der italienische Investigativjournalist Gatti die angebliche Identität von Elena Ferrante ermittelte, empfindet Müller-Ullrich für unangemessen und vergleicht es mit »Verfahren, die man normalerweise bei Ermittlungen gegen die Mafia anwendet.« Hubert Winkels stimmt zu: Gattis Artikel sei »nicht nur moralisch verwerflich«, sondern vermutlich »auch im juristischen Sinne eine Straftat.« Auch Iris Radisch empfindet Gattis Reportage als »absolut verwerflich«: Die »kriminalistischen und unstatthaften Methoden«, mit denen hier gearbeitet wurde, seien für die Steueraffären eines Donald Trump geeignet, nicht jedoch für eine Schriftstellerin. Auch die Rolle der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die Gattis Bericht am 2. Oktober in ihrer Sonntagsausgabe publizierte, wurde diskutiert. Als Ressortleiterin des Feuilleton der ZEIT bemängelt Iris Radisch, dass der Text des italienischen Journalisten nicht redigiert und bearbeitet wurde: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass mir das nicht klar gewesen wäre, dass man eine Frau bloßstellt, dass man in eine Intimsphäre eindringt, in der man nichts zu suchen hat.«
Die britische Autorin Jojo Moyes nimmt Claudio Gattis Enthüllungsreportage zum Anlass, um sich zu fragen: »Wie viel von sich selbst schuldet ein Autor seinem Publikum?« Dabei bemängelt sie, dass vor allem gegenüber Autorinnen ein Anspruch auf persönliche Auskunftbereitschaft gestellt werde: »Weibliche Autoren werden nicht über das Prisma ihrer Vorstellungswelt wahrgenommen, sondern über ihre Erfahrungen.« Den Namen der Frau, die der italienische Enthüllungsjournalist als Elena Ferrante identifiziert zu haben glaubt, nennt sie in ihrem Artikel bewusst nicht: »Und ihr wahrer Name? Ich werde ihn hier nicht posten. Ihre Bücher genügen. Und so sollte es sein.« Ihr Fazit: »Schriftsteller wie Elena Ferrante – und ich – schulden Ihnen nichts außer unseren Büchern«.